Erforderlichkeit eines Erbscheins

Beim Tod einer Person (Erblasser) stellt sich oftmals die Frage, ob ein Erbschein zur Regelung des Nachlasses benötigt wird. Der Beitrage erläutert diese Frage und zeigt Alternativen zum Erbschein auf.

Grundsatz

Gemäß § 1922 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Da der Vermögensübergang "mit dem Tod" erfolgt, ist eine Mitwirkung eines Gerichts insoweit nicht erforderlich. Allerdings kann es erforderlich sein, das Erbrecht des Erben nachzuweisen. Hierzu dient ein Erbschein, den das Nachlassgericht auf Antrag dem Erben erteilen soll. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erbschein: Antrag und Verfahren

Es gibt aber keinen allgemeinen Rechtssatz, dass das Erbrecht nur durch Erschein nachgewiesen werden kann (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 - XI ZR 401/12). Vielmehr kann das Erbrecht in jeder Art und Weise nachgewiesen werden, wenn nicht durch Gesetz besondere Anforderungen an den Nachweis des Erbrechts aufgestellt werden oder durch Vertrag Abweichendes geregelt wurde.

Guthaben bei Banken, Sparkassen, Volksbanken und anderen Finanzinstituten

Nachweis des Erbrechts

Banken, Sparkassen, Volksbanken und andere Finanzinstitute vereinbaren in aller Regel mit dem Kunden in ihren allgemeinen Geschäftsbedingungen (z.B. AGB-Banken) besondere Regeln für den Nachweis des Erbrechts. So heißt es z.B. in den AGB der Deutsche Bank nun wie folgt:  

"Nach dem Tod des Kunden hat derjenige, der sich gegenüber der Bank auf die Rechtsnachfolge des Kunden beruft, der Bank seine erbrechtliche Berechtigung in geeigneter Weise nachzuweisen. Wird der Bank eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift der letztwilligen Verfügung (Testament, Erbvertrag) nebst zugehörigem Eröffnungsprotokoll vorgelegt, darf die Bank denjenigen, der darin als Erbe oder Testamentsvollstrecker bezeichnet ist, als Berechtigten ansehen, ihn verfügen lassen und insbesondere mit befreiender Wirkung an ihn leisten. Dies gilt nicht, wenn der Bank bekannt ist, dass der dort Genannte (zum Beispiel nach Anfechtung oder wegen Nichtigkeit des Testaments) nicht verfügungsberechtigt ist oder wenn ihr dies infolge Fahrlässigkeit nicht bekannt geworden ist."

Oftmals wird daher ein Testament nebst Testamentseröffnungsprotokoll ausreichen.

Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Konten und Depots

Bei einem gemeinschaftlichen Konto, bei dem jeder Konto-Mitinhaber alleine über das Guthaben verfügen kann (Oder-Konto), kann der überlebende Konto-Mitinhaber außerdem alleine über das Konto verfügen (ist allerdings nicht zwingend auch Eigentümer des gesamten Guthabens). 

Kontovollmacht, Bankvollmacht und Generalvollmacht

Wenn eine Kontovollmacht oder Bankvollmacht vorliegt und diese (was die Regel ist) nicht mit dem Tod erlischt, kann der Bevollmächtigte in der Regel mittels einer solchen Vollmacht über das Guthaben verfügen. Hingegen wird eine einem Ehepartner erteilte transmortale Kontovollmacht grundsätzlich weder zu Lebzeiten des Erblassers noch nach seinem Tod zur Umschreibung des Kontos auf den Bevollmächtigten erlauben (BGH Urt. v. 24.3.2009 – XI ZR 191/08). Bei einer Vorsorge- und Generalvollmacht dürfte dies aber anders sein, wenn dem Bevollmächtigten die Befugnisse zur Auflösung oder Umschreibung des Kontos ausdrücklich eingeräumt werden. Eine andere Frage ist, ob dies ohne Zustimmung der Erben rechtmäßig  ist und diese Herausgabe verlangen können. 

Vertrag zu Gunsten Dritter auf den Todesfall

Bei einem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall kann und muss das Geldinstitut das Guthaben an den Begünstigten auszahlen. Dieser kann das Guthaben bei Bestehen eines Rechtsgrunds hiefür auch behalten. 

Grundstücke 

Nachweis des Erbrechts

Gegenüber dem Grundbuch kann die Rechtsnachfolge von Todes wegen außer durch einen Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis auch durch ein Testament oder Erbvertrag nebst Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung (Eröffnungsprotokoll) nachgewiesen werden, es sei denn, das Grundbuchamt erachtet die Erbfolge durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen (§ 35 Abs. 1 Nr. 2 GBO).

Vollmachten

Bei Vorliegen einer Vollmacht über den Tod hinaus (transmortale Vollmacht), die entsprechende Befugnisse entält, kann auch die Vollmacht zur Eintragung ausreichen. 

Eine transmortale Vollmacht des eingetragenen Berechtigten genügt zum Nachweis der (Vertretungs-)Macht des Bevollmächtigten auch dann, wenn dieser erklärt, Alleinerbe des Vollmachtgebers zu sein; es bedarf keines Nachweises der Erbfolge in der Form des § 35 Abs. 1 GBO (KG, Beschl. v. 2.3.2021 – 1 W 1503/20; entgegen OLG Hamm v. 10.1.2013 – I-15 W 79/12; OLG München v. 31.8.2016 – 34 Wx 273/16).

Personengesellschaften und eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts (eGbR) 

Nachweis der Rechtsnachfolge

Alle Gesellschafter und die Erben des verstorbenen Gesellschafters einer Personengesellschaft (Kommanditgesellschaft oder oHG) haben den Eintritt des Erben (oder anderen Rechtsnachfolgers bei Sondererbfolge) zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden, §§ 161 Abs. 2, 143 Abs. 2, 107 HGB. 

Nach § 12 Abs. 1 S. 4 HGB ist bei Anmeldungen, die der Rechtsnachfolger eines im Handelsregister eingetragenen Beteiligten vornimmt, die Rechtsnachfolge soweit tunlich durch öffentliche Urkunden (vgl. § 415 ZPO) nachzuweisen. Die Erbfolge ist daher regelmäßig durch Erbschein (§ 2353 BGB) nachzuweisen, soweit sie auf gesetzlicher Erbfolge oder auf einer privatschriftlichen Verfügung von Todes wegen beruht. Entsprechendes gilt für die Eintragung eines Erben als Gesellschafter einer eGbR im Gesellschafterregister.

Beruht die Erbfolge auf einer letztwilligen Verfügung in öffentlicher Urkunde (notarielles Testament), so kann das Registergericht (in Anlehnung an § 35 Abs. 1 GBO) diese zusammen mit der Niederschrift über deren Eröffnung nach pflichtgemäßem Ermessen als ausreichend ansehen, sofern die letztwillige Verfügung keine Auslegungsschwierigkeiten bereitet.

Der Nachweis durch öffentliche Urkunden kann entbehrlich sein, wenn sich die Rechtsnachfolge aus den Akten des Registergerichts selbst oder aus bei demselben Gericht geführten Nachlassakten ergibt. In solchem Fall genügt die Bezugnahme des Anmeldenden auf diese Akten. Das Registergericht ist jedoch in keinem Fall verpflichtet, sich selbst ein Urteil über die Erbfolge zu bilden, sofern diese auch nur zweifelhaft ist. Denn die gerichtliche Prüfung der Erbfolge fällt in den Kompetenzbereich des Nachlassgerichts, das hierüber im Erbscheinverfahren nach den dort geltenden Bestimmungen zu befinden hat (OLG München, Beschluss v. 17.10.2017 – 31 Wx 330/17; KG NJW-RR 2000, 1704; OLG Köln FGPrax 2005, 41; OLG Bremen NJW-RR 2014, 816).

Vollmachten

Nach obergerichtlicher Rechtsprechung (OLG München, Beschl. v. 31.3.2017 – 31 Wx 169/17) berechtigt eine post- oder transmortale Vollmacht grundsätzlich nicht zur Anmeldung des Eintritts eines neuen Kommanditisten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge zum Handelsregister. Dies wird damit begründet, dass die Vollmacht nicht weiter reichen könne als die Rechtsmacht des Vollmachtgebers. Der Vollmachtgeber könne aber nicht die Rechtsnachfolge auf seinen Tod anmelden. 

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