Schenkung und Nießbrauch im deutschen Zivilrecht
Bei der Schenkung einer Immobilie unter Vorbehaltsnießbrauch überträgt der bisherige Eigentümer das Eigentum an der Immobilie und lässt sich gleichzeitig vom neuen Berechtigten einen Nießbrauch an dem übertragenen Gegenstand einräumen. Der Beschenkte wird zivilrechtlicher Eigentümer und wird als Eigentümer in der Abteilung I des Grundbuchs eingetragen. Das Nießbrauchrecht des Zuwenders wird hingegen als dingliche Last zugunsten des bisherigen Eigentümers (Schenker) in Abteilung II des Grundbuchs eingetragen.
Die Schenkung einer Immobilie erfolgt durch Schenkungsvertrag. Der Vertrag regelt die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien. Die Parteien können insbesondere die Rechte und Pflichten von Eigentümer und Nießbraucher regeln. Wenn er keine Regeln zum Nießbrauch enthält, gelten die gesetzlichen Regeln, siehe hierzu den Beitrag Nießbrauch an Immobilien - Rechte und Pflichten.
Einkommensteuer bei Vorbehaltsnießbrauch an einer Immobilie
Die ertragsteuerlichen Folgen des Nießbrauchs werden im sog. „Nießbrauchserlass″ (BMF vom 30. September 2013, BStBl. I S. 1184) erläutert:
- Der Nießbraucher, der die Erträge vereinnahmt, versteuert diese als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.
- Er kann im Falle des Vorbehaltsnießbrauchs auch weiterhin die Abschreibung steuerlich geltend machen, da er selbst die Anschaffungskosten der Immobilie getragen hat.
- Soweit der Nießbraucher aufgrund vertraglicher oder gesetzlicher (siehe hierzu Nießbrauch an Immobilien - Rechte und Pflichten) Verpflichtung die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Immobilie trägt, ist er zum Werbungskostenabzug berechtigt.
Wichtig: Im Hinblick auf die ertragsteuerlichen Folgen wird es oftmals sinnvoll sein, bei einem Nießbrauch an einer vermieteten Immobilie dem Nießbraucher auch die Verpflichtung zur Tragung der außerordentlichen Aufwendungen aufzuerlegen.
Zur Einkünfteerzielung bei Bestellung eines Nießbrauchs unter freiem Widerrufsvorbehalt zu Gunsten eines Minderjährigen, siehe auch BFH, Urteil vom 20. Juni 2023, IX R 8/22.
Schenkungsteuer bei Schenkung einer Immobilie unter Vorbehalt eines Nießbrauchs
Gegenstand der Schenkung
Im Falle einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt (Vorbehaltsnießbrauch) wird der Wert des Geschenks um den Wert des Nießbrauchs gemindert. Endet der Nießbrauch mit dem Tod des Berechtigten oder zum Ende der vereinbarten Laufzeit, hat dies keine Auswirkungen bei der Schenkung- oder Erbschaftsteuer.
Wert des Nießbrauchs
Der Nießbrauch wird grundsätzlich mit dem Kapitalwert (§§ 13 bis 16 BewG) berücksichtigt. Dieser ergibt sich aus dem durchschnittlichen Jahreswert multipliziert mit einem von der Dauer des Nießbrauchs abhängigen Vervielfältiger. Im Falle eines lebenslangen Nießbrauchs ist das Alter des Nießbrauchsberechtigten maßgebend (§ 14 BewG). Die Vervielfältiger werden jährlich auf der Grundlage der Sterbetafel von der Finanzverwaltung veröffentlicht.
Beispiel: Vater A schenkt seinem Sohn B eine Immobilie mit einem Jahreswert von EUR 100.000 unter Vorbehalt des Nießbrauchs. A ist im Zeitpunkt der Schenkung 60 Jahre alt. Der Vervielfältiger beträgt 12,833 und der Kapitalwert des Nießbrauchs damit EUR 1.283.300. Der Wert des Geschenks mindert sich um diesen Betrag.
Unter Umständen kann durch ein Immobilienwertgutachten, welches auch den Nießbrauch berücksichtigt, ein günstigeres Ergebnis erzielt werden. Denn diesbezüglich sind nicht die Regelungen des Bewertungsgesetzes maßgebend. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag zur Immobilienbewertung.
Widerruf der Schenkung
hat sich der Schenker den Widerruf vorbehalten (Widerrufsvorbehalt) und verlangt er nach Ausübung des Widerrufsrechts das Geschenk heraus, erlischt eine etwaig entstandene Schenkungsteuer (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Der Erwerber ist für den Zeitraum, für den ihm die Nutzungen des zugewendeten Vermögens zugestanden haben, wie ein Nießbraucher zu behandeln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
Steuerbefreiung für das Familienheim bei Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
Bei einer Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt wird die Steuerbefreiung für das Familienheim i.S.v. § 13 ErbStG wird nicht gewährt.
Internationales Schenkungsteuerrecht
Die Schenkung einer Immobilie in Deutschland unterliegt immer der deutschen Schenkungsteuer. Wenn der Schenker oder der Beschenkte im Ausland ansässig ist, kann daneben aber auch im Ausland Schenkungsteuer anfallen. Da sollte bei Bezügen zum Ausland immer auch geprüft werden, welche steuerlichen Folgen eine Schenkung unter Nießbrauchsvorbehalt hat.
Anzeige der Schenkung
Nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist jeder der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegender Erwerb (§ 1 ErbStG) anzuzeigen (Anzeigepflicht). Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erwerbsanzeige bei einer Schenkung.
Mehrzeit von Nießbrauchsberechtigten
Wenn mehrere Personen (z.B. Eltern) gemeinschaftliche Eigentümer einer Immobilie sind und das Eigentum auf eine andere Person (z.B. Kind) übertragen wollen, aber der letztversterbende Eigentümer das ausschließliche Nutzungsrecht an der gesamten Immobilie haben soll, sind mehrere Rechtsgeschäfte (die in einer Urkunde gergegelt sind) erforderlich:
- Jeder Miteigentümer behält sich an seinem Miteigentumsanteil einen Nießbrauch vor (Vorbehaltsnießbrauch) und
- wendet dem anderen Miteigentümer einen Nießbrauch an seinem Miteigentumsanteil (Zuwendungsnießbrauch) zu.
Der Zuwendungsnießbrauch ist in diesem Fall aufschiebend bedingt auf den Tod des ersten Miteigentümers, der sich an seinem Miteigentumsanteil einen Nießbrauch vorbehält (Vorbehaltsnießbraucher). Der Nießbrauch des überlebenden Miteigentümers entsteht also erst mit dem Ableben des anderen (Sukzessivnießbrauch).
Der vom Schenker vorbehaltene lebenslange Nießbrauch mindert den Erwerb des Bedachten bei der Schenkungsteuer auch in diesem Fall, da § 6 Abs. 1 BewG nicht für einen am Stichtag entstandenen, aber nachrangigen Nießbrauch gilt (BFH Urteil v. 06.05.2020 - II R 12/19). Bei der Schenkungsteuerfestsetzung sind die Nutzungsrechte in der Weise zu berücksichtigen, dass der vorrangige und der nachrangige Nießbrauch (als einheitliche Last) nur einmal, aber mit dem höheren Vervielfältiger (§ 14 BewG) abgezogen werden (BFH Urteil v. 06.05.2020 - II R 12/19). Die Mehrheit der Nutzungsberechtigten bedeutet keine zusätzliche Last, sondern allenfalls eine Verlängerung der Belastungsdauer (BFH Urteil v. 06.05.2020 - II R 12/19).
Grunderwerbsteuer
Aus grunderwerbsteuerlicher Sicht wird der Nießbrauch als Entgelt angesehen, so dass insoweit grundsätzlich die Grunderwerbsteuerbefreiung der unentgeltlichen Grundstücksübertragung des § 3 Nr. 2 GrEStG nicht zur Anwendung kommt. Wie die Übertragung in gerader Linie erfolgt, ist sie gleichwohl nach § 3 Nr. 6 GrEStG steuerfrei, so dass es in vielen Fällen hierauf nicht ankommt.