Der Nießbrauch im spanischen Zivil- und Steuerrecht

Als spanischer Anwalt für deutsch-spanisches Erbrecht und Immobilienrecht berate ich oftmals bei der Nachfolgeplanung. Hierbei ist ein wichtiges Mittel der (lebzeitige) Nießbrauch. Der Beitrag gibt eine Einführung in die wichtigsten steuerlichen und zivilrechtlichen Fragen betreffend den Nießbrauch in Spanien.

Grundlagen

Der Nießbrauch (usufructo) ist in den Artikeln 467 bis 522 spanisches Zivilgesetzbuch (Código Civil)  geregelt.

Nach Art. 467 CC ist der Nießbrauch das Recht, die Früchte fremden Vermögens unter Erhalt der Substanz zu ziehen, wobei abweichende Regelungen zulässig sind. Ein Nießbrauch kann durch

  • Gesetz (z.B. der gesetzliche Nießbrauch des überlebenden Ehegatten),
  • rechtsgeschäftliche Willenserklärung (z.B. Kaufvertrag, Schenkung),
  • durch letztwillige Verfügung (Testament, Erbvertrag, Schenkung von Todes wegen) oder
  • Ersitzung begründet werden (vgl. Art. 468 CC).

Ein Nießbrauch kann an einem ganzen Gegenstand oder einen Teil davon begründet werden (Art. 468 CC). Berechtigt kann eine Person sein oder mehrere (Art. 468 CC). Sie können gleichzeitig oder zeitlich nacheinander berechtigt sein (Art. 468 CC).

Ein Nießbrauch kann an einer Sache und an einem Recht, welches nicht höchstpersönlich und übertragbar ist, begründet werden (Art. 469 CC).

Der Nießbrauch kann zeitlich befristet oder lebenslang sein. Der lebenslange Nießbrauch (usufructo vitalicio) endet mit dem Tod des Begünstigten. 

Rechte und Pflichten des Nießbrauchberechtigten

Die Rechte und Pflichten des Nießbrauchberechtigten können frei ausgestaltet werden. Mangels einer Regelung ergeben sich die Rechte und Pflichten nach Artt. 471 bis Art. 512 CC-Spanien.

Der Nießbraucher ist berechtigt die Früchte zu ziehen (Art. 471 CC). Er kann den Gegenstand  selbst zu nutzen oder Dritten unentgeltlich oder gegen Entgelt zu überlassen (Art. 480 CC). Er kann den Nießbrauch auch verkaufen, wenn bei Begründung des Nießbrauchs nicht etwas anderes vereinbart wurde (Art. 480 CC). Besteht der Nießbrauch an Sachen, die durch die Nutzung schlechter werden ohne sich zu verbrauchen, ist der Nießbraucher bei bestimmungsgemäßer Nutzung nicht verpflichtet sie wieder herzustellen  (Art. 481 CC). Anders nur bei Gegenständen, die sich verbrauchen.

Der Nießbraucher hat die mit dem Nießbrauch belasteten Gegenstände „wie ein guter Vater“ zu pflegen (Art. 496 CC). Der Nießbraucher ist verpflichtet die die gewöhnlichen Reparaturen vorzunehmen, deren die Gegenstände bedürfen (Art. 500 CC). Die außergewöhnlichen Reparaturen gehen zu Lasten des Eigentümers (Art. 501 CC). Der Nießbraucher muss die jährlichen Lasten (cargas) und Abgaben (contribuciones) und diejenigen, die an die Nutzung anknüpfen, tragen (Artt. 504, 505 CC).

Rechte des Eigentümers

Der Inhaber des nackten Eigentums (nuda propriedad) kann über das mit dem Nießbrauch belastete Recht (z.B. Eigentum an einem Grundstück) frei verfügen. Er kann in bestimmten Situationen Sicherheit oder bei Schädigung Schadenersatz verlangen.

Mit dem Erlöschen des Nießbrauchs kann er Herausgabe von dem Nießbraucher bzw. deren Rechtsnachfolger (also in der Regel der Erbe) verlangen.

Eintragung eines Nießbrauchs an Immobilien im Grundbuch

Ein Nießbrauch an einer Immobilie kann im spanischen Grundbuch - dem Eigentumsregister (registro de la propiedad) - eingetragen werden. Die Eintragung erfolgt auf der Grundlage einer öffentlicher Urkunde (Escritura pública). Mit Eintragung wirkt der Nießbrauch gegenüber jedem.  

Der Nießbrauch im spanischen Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht

Das spanische Recht enthält im spanische Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz (Ley del Impuesto sobre Sucesiones y Donaciones) . nachfolgend "span. ErbStG" -  und in der Durchführungsverordnung hierzu (DVO) besondere Regeln zum Nießbrauch.

Bewertung des Nießbrauchs, Wohnrechts und anderer Rechte bei der spanischen Erbschafts-und Schenkungssteuer

Für die Bewertung des Nießbrauchs ist zwischen dem befristeten und dem lebenslangen Nießbrauch zu unterscheiden (Art. 26 a) span. ErbStG, Artt. 49 bis 51 DVO).

Bewertung des befristeten Nießbrauchs

Der Wert des zeitlich befristeten Nießbrauchs beträgt pro Jahr 2% des Wertes des belasteten Gegenstands, maximal aber 70% des Gesamtwertes.

Bewertung des lebenslangen Nießbrauchs

Bei einem lebenslangen Nießbrauch (usufructo vitalicio) kommt es nach Art. 26 span. ErbStG auf das Lebensalter des Berechtigten an: Ist der Nießbraucher weniger als 20 Jahre alt, so beträgt der Wert des Nießbrauchs 70 %. Ist der Nießbraucher 20 Jahre oder älter, so mindert sich der Wert des Nießbrauchs für jedes Jahr über 20 um 1 %. In jedem Fall beträgt der Wert des Nießbrauchs aber 10 %. Somit kommt es auf folgenden Wert an:

Altes des Nießbrauchberechtigten

Wert des Nießbrauchs

Wert des „nackten „ Eigentums

80 Jahre oder mehr

10%

90%

(…)

 

 

73 Jahre

16%

84%

72 Jahre

17%

83%

71 Jahre

18%

82%

70 Jahre

19%

81%

69 Jahre

20%

80%

68 Jahre

21%

79%

67 Jahre

22%

78%

66 Jahre

23%

77%

65 Jahre

24%

76%

64 Jahre

25%

75%

63 Jahre

26%

74%

62 Jahre

27%

73%

61 Jahre

28%

72%

60 Jahre

29%

71%

59 Jahre

30%

70%

58 Jahre

31%

69%

57 Jahre

32%

68%

56 Jahre

33%

67%

55 Jahre

34%

66%

54 Jahre

35%

65%

53 Jahre

36%

64%

52 Jahre

37%

63%

(…)

 

 

Unter 20 Jahren

70%

30%

Wert des nackten Eigentums

Der Wert des nackten Eigentums (nuda propriedad) ist die Differenz zwischen dem Wert des Nießbrauchs und dem Wert des Vollrechts, Art. 26 a) Satz 3 span. ErbStG. Der Erwerb des nackten Eigentums ist mit der Maßgabe steuerbar, dass der „mittlere Steuersatz“  zur Anwendung kommt (Art. 26 a) Satz 4 span. ErbStG).

Bewertung des Wohnrechts oder anderen dinglichen Nutzungsrechts

Dem Nießbrauch gleichgestellt sind dingliche Nutzungs- oder Wohnrechte. Allerdings wird der sich ergebende Wert mit 0,75 % multipliziert.

Besteuerung bei Entstehung und Erlöschen des Nießbrauchs

Bei Entstehung und beim Erlöschen des Nießbrauchs sind verschiedene steuerliche Vorgängen zu beachten, wie nachfolgendes Beispiel aufzeigt. 

Beispiel: Erblasser E errichtet ein Testament und wendet den Nießbrauch an dem einzigen Nachlassgegenstand, einer Ferienwohnung mit einem Wert von EUR 300.000,--, seiner Ehefrau F (80 Jahre alt) zu. Das (einzige) Kind des E, K 1, ist erhält das mit dem Nießbrauch belastet „nackte“ Eigentum. Einige Jahre später stirbt F und der Nießbrauch erlischt.

Besteuerung bei Begründung des lebenslangen Nießbrauchs

Der Nießbraucher muss den Wert des erworbenen Nießbrauchs besteuern. Im Beispielsfalls  fällt spanische Erbschaftsteuer in Höhe von EUR 1.173,11 gemäß folgender Berechnung an:   

 

EUR

Steuerbarer Erwerb: EUR 30.000,-- (10 % von EUR 300.000)

30.000,00

Abzüglich Freibetrag (gerundet) i.H.v.

16.000,00

Bereinigte Bemessungsgrundlage:

14.000,00

Steuerschuld (EUR 611,50 + 561,61):

1.173,11

Der Erwerber des  mit dem Nießbrauch belasteten Eigentums – des sog. „nackten Eigentums“ hat einen steuerbaren Erwerb in Höhe des Wertes des „nackten Eigentums“. Im Beispielsfalls ergibt sich eine Steuerschuld in Höhe von EUR 47.650,40 gemäß folgender Berechnung:

Steuerbarer Erwerb:

270.000,00

Abzüglich Freibetrag (gerundet) i.H.v. EUR 16.000,--

16.000,00

Bereinigte Bemessungsgrundlage:

254.000,00

Steuerschuld (bereinigte Bemessungsgrundlage x mittlerer Steuersatz[1]:

47.650,40

Besteuerung bei Konsolidierung des Eigentums

Erlischt der Nießbrauch und erwirbt der Inhaber des „nackten Eigentums“ in der Folge das Volleigentum (Konsolidierung), so liegt hierin gemäß At. 26 c) ErbStG ein weiterer steuerlichen Erwerb.

Fortsetzung des Beispielfalls: Auf den Tod der F erlischt der Nießbrauch und das nackte Eigentum erstarkt zum Volleigentum (Konsolidierung). Auch dieser Erwerb des K 1 wird mit dem „mittleren Steuersatz“ besteuert, Art. 26 c) ErbStG. Somit fällt eine Steuer in Höhe von EUR 5.628 gemäß folgender Berechnung an: 

Steuerbarer Erwerb:

30.000,00

Bereinigte Bemessungsgrundlage (kein Freibetrag)

30.000,00

Steuerschuld (Bereinigte Bemessungsgrundlage x mittlerer Steuersatz von 18,76 %

5.628,00

 


[1] Der „mittlere Steuersatz“ berechnet sich wie folgt: Steuerschuld x 100 ./. bereinigte Bemessungsgrundlage; Anwendung auf den Fall:

Wert des Nachlasses (ohne Abzug des Nießbrauchs) = EUR 300.000

Bereinigte Bemessungsgrundlage (Wert des Nachlasses abzüglich Freibetrag von EUR 16.000) = EUR 284.000

Netto-Steuerschuld (EUR 40.011,04 + 13.271,73) = EUR 53.282,77

Mittlerer Steuersatz (EUR 53.282,77 x 100 ./. 284.000)  = 18,76 %

 

Glossar: lebenslanger Nießbrauch (usufructo vitalicio)

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