Testamentsfälschung: Nachweis der Fälschung des Testaments durch Gutachten

Als Fachanwalt für Erbrecht werde ich immer wieder mit der Frage konfrontiert wie der Nachweis einer Testamentsfälschung erfolgen kann. Der Beitrag zeigt auf, wann ein Testament falsch ist und wie in Erbstreit die Fälschung des Testaments nachgewiesen wird.

Grundlagen: Wann ist ein Testament echt und wann ist ein Testament "falsch"?

Der Erblasser kann ein Testament durch eine eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichten,  § 2247 (1) BGB. "Eigenhändigkeit" bedeutet dabei, dass der Erblasser den gesamten Wortlaut des Testaments mit der Hand selbst schreiben muss und das Testament selbst unterschreiben muss.

Um eine Testamentsfälschung handelt es sich, wenn die Person, die dem äußeren Anschein nach das Testament errichtet hat, nicht geschrieben und/oder unterschrieben hat, sondern eine andere Person. Dabei ist es gleichgültig, ob diese andere Person das Testament auf Anweisung des Testators geschrieben und/oder unterschrieben hat. Entsprechendes gilt für Änderungen eines echten Testaments durch eine andere Person. 

Wurde (im Testament) kenntlich gemacht, dass nicht der Testator, sondern eine andere Person geschrieben/unterschrieben hat, spricht man hingegen nicht von einer Testamentsfälschung. Bei Anwendbarkeit deutschen Rechts ist eine solche Testierstellvertretung aber unwirksam, da das deutsche Recht keine Testierstellvertretung erlaubt. 

Erforderlichkeit eines Schriftgutachtens zur Echtheit eines Testaments

In einem Erbscheinverfahren hat das Nachlassgericht die Frage der Echtheit auf Grund des Amtsermittlungsgrundsatzes von Amts wegen zu ermitteln und die „zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen” (BGH v. 11. 10. 1990, IX ZR 114/89).

Es muss allerdings nur tätig werden, wenn Anhaltspunkte für eine Testamentsfälschung bestehen. Solche Anhaltspunkte können sich aus Abweichungen zwischen der Handschrift des Erblassers und der Schrift, mit welcher das Testament verfasst wurde,  ergeben. Oftmals gibt es aber gute Erklärungen für solche Abweichungen:

  • So kann sich der Erblasser wegen der Bedeutung des Testaments sich um besondere Leserlichkeit bemüht haben. 
  • Der Erblasser kann durch Alter oder Krankheit geschwächt gewesen sein, was sich in dem Schriftbild niedergeschlagen haben kann. 
  • Der Erblasser kann das Testament in einer untypischen Körperhaltung (sitzend/liegend im Bett) verfasst haben oder sich aufgrund der besonderen Situation einer schrägen oder wackligen Schreibunterlage bedient haben. 

Das Nachlassgericht muss insoweit daher unter Umständen Nachforschungen anstellen. Auch wenn die Abweichungen sich hierdurch nicht erklären lassen, kann das Nachlassgericht ausnahmsweise auf ein Sachverständigengutachten verzichten, wenn Personen bei der Testamentserrichtung anwesend waren und diese die Echtheit zur Überzeugung des Gerichts bezeugen (BayObLG v. 20. 7. 1994, 1Z BR 108/93).

Ferner kann das Nachlassgericht auf ein Sachverständigengutachten verzichten, wenn die Abweichungen zwischen dem Testament und der Vergleichsschrift offensichtlich sind und es aus eigener (Laien-) Anschauung die Fälschung zweifelsfrei feststellen kann. Im Zweifelsfall hat es ein schriftvergleichendes Gutachten zu beauftragen.

Beweisaufnahme und  Beweiswürdigung zur Echtheit des Testaments

Bei konkreten Hinweisen auf eine Testamentsfälschung ist (auch in FamFG-Verfahren) regelmäßig eine förmliche Beweisaufnahme veranlasst, vgl. § 30 (3) FamFG.

Praxis-Hinweis: Ein Beweisantritt durch die Beteiligten ist nicht erforderlich, ist aber oft zweckmäßig. 

Auswahl des Schriftgutachters

Zunächst ist ein Sachverständiger auszuwählen. Nicht die Parteien, sondern das Gericht wählt den Sachverständigen aus, § 404 (1) ZPO. Das Gericht hat dabei einen gewissen Spielraum. Allerdings muss die zur Erstellung des Schriftgutachtens vom Gericht bestellte Person qualifiziert und sachkundig sein. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass der Gutachter öffentlich bestellt und vereidigt ist (BayObLG v. 12. 10. 1994, 1Z BR 141/94). Ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Handschriftenvergleich ist aber in der Regel qualifiziert und sachkundig. Das gleich gilt aber nach der Rechtsprechung auch für Mitglieder der Gesellschaft für Forensische Schriftuntersuchung e. V. und Sachverständige der Landeskriminalämter.

Auftrag des Gerichts an den Schriftgutachter

Das Gericht erteilt dem Schriftgutachter den Auftrag zur Untersuchung der Echtheit. Dieser Auftrag sollte eine klar formulierte Untersuchungsfrage beinhalten. 

Beispiel: Wurde das Testament mit Datum vom 24.10.2003 von dem Erblasser geschrieben und unterschrieben?

Ferner sollte der Auftrag alle relevanten Umstände der Testamentserrichtung darlegen, z.B.  

  • Alter des Erblassers,
  • Gesundheitszustand des Erblassers und
  • Schreibhaltung.

Das zu begutachtende Schriftstück solle dem Gutachter im Original zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollte Vergleichsschriftmaterial des Erblassers (z.B. Briefe, Postkarten) übersandt werden.  Dieses sollte unstreitig vom Erblasser herrühren. 

In der Regel werden nur Unterschriften mit Unterschriften und Textschrift mit Textschriften verglichen. Daher werden bei der Begutachtung eines handschriftlichen Testaments Unterschrift und Textschriften des Erblassers benötigt. Diese sollten möglichst zeitnah zum Entstehungszeitpunkt des Testaments und möglichst unter gleichen Umständen (z.B. Krankheit) entstanden sein.

Die Begutachtung durch den Schriftgutachter

Das Gutachten soll systematisch aufgebaut, übersichtlich gegliedert, ausreichend begründet, nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Es muss so gehalten sein, dass das Gericht sich ein eigenes Bild von der Richtigkeit der gezogenen Schlüsse machen kann (BayObLG v. 7. 5. 1986). 

Das Gutachten soll daher insbesondere aufführen

  • warum das Gutachten eingeholt wurde,
  • vorliegende Beweismittel,
  • welche Untersuchungsmethoden und wissenschaftlichen Erfahrungssätze angewandt wurden,
  • welche Befunde festgestellt wurden. 

Die wichtigsten Untersuchungsmethoden sind

  • die physikalisch-technischen Prüfung (z.B. Untersuchung der sichtbaren UV-Fluoreszenz, Analyse der UV-Reflexion, IR-Absorption, IR-Lumineszenz unter Variation des Erregerlichts und Verwendung unterschiedlicher Sperrfilter, Untersuchung auf latente Druckspuren mit Hilfe eines elektrostatischen Oberflächenprüfgeräts, Stereomikroskopie bei variierten Abbildungsmaßstäben und unter Verwendung unterschiedlicher Beleuchtungstechniken, wie Auflicht, Durchlicht, streifendes und polarisierendes Licht)
  • Schriftvergleich (z.B. Strichbeschaffenheit, Druckgebung, Bewegungsfluss, Bewegungsführung und Formgebung). 

Eine besondere Fehlerquelle eines Schriftgutachtens besteht darin, dass dem Gutachter nicht die Originale vorliegen. In diesem Fall sind nur beschränkt Aussagen zur Echtheit möglich, da eine Untersuchung auf Druckverteilung, Strichbeschaffenheit und Feinheiten in der Bewegungsführung nicht möglich ist. Außerdem sind manche Fälschungen nicht erkennbar, z.B. wenn der Fälscher die Unterschrift und Textpassagen eingescannt und am Computer neu angeordnet hat. 

Hinweis: Bei Nichtvorliegen des Originals ist daher nur eine Aussage unter Hinweis auf die beschränkte Aussagekraft zulässig (Tendenzaussage). Zwingend erforderlich ist auch, dass sich der Gutachter mit der Entstehungsgeschichte auseinandersetzt. 

Würdigung des Gutachtens

Über das Ergebnis der Schriftvergleichung hat das Gericht nach freier Überzeugung zu entscheiden, § 442 ZPO. Neben dem Gutachten hat es daher auch alle geeigneten Beweismittel zu berücksichtigen und darf nicht etwa nur das Gutachten unkritisch übernehmen. Oftmals wird allerdings das Gericht dem Gutachten folgen. Dies kann es sogar dann tun, wenn nach dem Gutachten das Testament nur mit "hoher Wahrscheinlichkeit" von Erblasser herrührt und somit echt ist.

Praxis-Hinweis: Aufgabe des Prozessanwaltes ist es, das Gericht auf Fehler des Gutachtens hinzuweisen und sicherzustellen, dass das Gutachten nicht unkritisch vom Gericht übernommen wird. 

Parteigutachten

Die Parteien können auch selbst "Gegengutachten" vorlegen. Solche Parteigutachten hat das Gericht zu berücksichtigen. Kommen die Gutachter zu entgegengesetzten Ergebnissen, muss das Gericht aufzuklären versuchen, von welchen verschiedenen tatsächlichen Grundlagen und von welchen verschiedenen Wertungen sie ausgehen. Erst wenn sich die danach bestehenden Widersprüche nicht ausräumen lassen, ist Raum für eine abschließende Beweiswürdigung widerstreitender Gutachten (BGH v. 23. 9. 1986, VI ZR 261/85, NJW 1987, 442).

Einholung eines Obergutachtens

Das Gericht kann eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige anordnen, wenn es das Gutachten für ungenügend erachtet, § 412 ZPO. Dies kann z.B. der Fall sein, weil 

  • das erste Gutachten grobe Mängel aufweist,
  • von unrichtigen Feststellungen ausgegangen wurde,
  • widersprüchlich ist,
  • der Gutachter nicht sachkundig ist oder
  • der Obergutachter über überlegene Forschungsmittel verfügt.

Allein die Vorlage eines widersprechenden Parteigutachtens führt nicht zur zwingenden Einholung eines Obergutachtens.

Beweislast: Derjenige, der sich auf die Echtheit des Testaments beruft, muss diese beweisen

Nach dem allgemeinen Grundsatz ist derjenige entsprechend hinsichtlich der Frage der Echtheit und der Eigenhändigkeit feststellungs- bzw. beweisbelastet, der für sich Rechte aus einem streitigen handschriftlichen Testament herleiten will (OLG Frankfurt v. 28. 2. 2005, 20 W 195/04). Er muss sowohl die Echtheit des Textes als auch der Unterschrift beweisen. Bei nachträglichen Veränderungen des Testaments (z.B. Streichung), muss derjenige, der sich auf die Wirksamkeit der Veränderung beruft, nachweisen, dass der Erblasser die Veränderung vorgenommen hat. Daher trägt, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Erblasser die Streichung einer Erbeinsetzung auf der Testamentsurkunde schon vor der Unterschriftsleistung vorgenommen hat, den Nachteil der Unaufklärbarkeit auch derjenige, dessen Name gestrichen worden ist (OLG Köln, Beschluss vom 12.11.2003 - 2 Wx 25/0). 

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