Schenkungsteuer bei Zuwendungen ausländischer Stiftungen

Der BFH hat sich mit Beschluss vom 21.7.2014, II B 40/14 erstmals mit der Frage beschäftigt, wie ordentliche Ausschüttungen einer schweizerischen Familienstiftung an Familienangehörige schenkungssteuerrechtlich bewertet werden. Es stellte fest, dass "erhebliche Zweifel" daran bestehen, dass es sich um den Erwerb durch Zwischenberechtigte i. S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 ErbStG handelt

Der Fall

Die Antragstellerin erhielt von einer Stiftung mit Sitz in der Schweiz am … Januar 2013 einen Geldbetrag in Höhe von … EUR. Die Stiftung ist eine Familienstiftung i.S. des Art. 80 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuches. Ihr Zweck ist die Unterstützung von Familienangehörigen der begünstigten Familie beim Aufbau einer angemessenen Altersversorgung oder durch einen Zuschuss zur Sicherung ihres Lebensstandards im Alter. Die Unterstützungsleistungen können Angehörigen der Familie einmalig ausgerichtet werden. Der Stiftungsrat entscheidet im Rahmen des Stiftungszwecks nach seinem Ermessen darüber, ob eine Zuwendung erfolgt, über den Empfänger, die Höhe und den Zeitpunkt der auszurichtenden Unterstützungsleistungen. 

Mit Schreiben vom 18. Januar 2013 teilte die Stiftung dem Antragsgegner und Beschwerdeführer (Finanzamt --FA--) die Auszahlung mit. Zugleich vertrat sie die Auffassung, es handele sich nicht um eine schenkungssteuerbare Zuwendung, weil diese weder freigebig i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) noch im Zusammenhang mit der Aufhebung der Stiftung nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1  1. Alternative ErbStG erfolgt sei. Die Zuwendung habe im Einklang mit dem Satzungszweck gestanden.

Das FA setzte mit Bescheid vom 19. August 2013 unter Hinweis auf § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG Schenkungsteuer in Höhe von … EUR gegen die Antragstellerin fest. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden wurde. Die von der Antragstellerin beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das FA ab. Das Finanzgericht (FG) gab dem Antrag auf AdV wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids statt.

Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde. Das FA vertritt die Auffassung, bei der Zuwendenden handele es sich um eine Vermögensmasse i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG. Bei einer solchen Vermögensmasse erstrecke sich die Steuerpflicht auch auf Zuwendungen während ihres Bestehens an Zwischenberechtigte. Dabei komme es nicht darauf an, ob die Zuwendungen satzungsgemäß erfolgten oder nicht.

Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Antrag auf AdV abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Aus den Gründen

2. Es bestehen ernstliche Zweifel, ob die Zuwendung der Stiftung an die Antragstellerin nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG steuerbar ist.

a) Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden, was bei Aufhebung einer Stiftung oder bei Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, erworben wird. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG steht dem gleich der Erwerb bei Auflösung einer Vermögensmasse ausländischen Rechts, deren Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, sowie der Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse.

b) § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG wurde durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) in das ErbStG eingefügt. Nach der Entstehungsgeschichte sollten mit dem unbestimmten Begriff der "Vermögensmasse ausländischen Rechts" vor allem typische und in den anglo-amerikanischen Staaten gebräuchliche Formen des sog. common law trust erfasst werden (BFH-Urteil vom 27. September 2012 II R 45/10, BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 13). Der Gesetzgeber hatte die Absicht, die bis dahin bestehende Rechtslage, wonach die bloße Errichtung sog. Testamentstrusts, die nicht auf alsbaldige Verteilung des Trustvermögens gerichtet waren, weder beim Trustverwalter noch beim Begünstigten zu einem steuerbaren Erwerb führten (vgl. BFH-Urteile vom 21. April 1982 II R 148/79, BFHE 136, 133, BStBl II 1982, 597, und vom 7. Mai 1986 II R 137/79, BFHE 147, 70, BStBl II 1986, 615, jeweils m.w.N.), zu ändern. Nach der Gesetzesbegründung sollte der Vermögensübergang auf den Trust bei seiner Errichtung und auf die Anfallsberechtigten bei der späteren Auflösung als jeweils zusätzlicher Erwerbstatbestand in die §§ 3 und 7 ErbStG aufgenommen werden und künftig der Besteuerung unterliegen (BTDrucks 14/23, 200; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 2 Rz 122; Gebel, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 1999, 249, 253; Habammer, Deutsches Steuerrecht 2002, 425, 430).

c) Für den Fall eines Trusts nach amerikanischem Recht hat der BFH entschieden, dass der Begriff des Zwischenberechtigten i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG alle Personen umfasst, die während dessen Bestehens Auszahlungen aus dem Trustvermögen erhalten (BFH-Urteil in BFHE 238, 540, BStBl II 2013, 84, Rz 16, m.w.N.). Dies beruht auf dem Zweck der Vorschrift, Gesetzeslücken schließen und Vollzugsdefizite beseitigen zu wollen (vgl. BTDrucks 14/443, 41).

d) Es ist noch nicht entschieden, ob diese weite Auslegung des Begriffs des Zwischenberechtigten i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG auch auf Stiftungen, die nach ausländischem Recht errichtet worden sind, und ihrer rechtlichen Struktur nach deutschen Stiftungen entsprechen, übertragen werden kann. § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG verwenden ausdrücklich den Begriff der (ausländischen) Vermögensmasse, die im Gesetz von der jeweils in Satz 1 der Vorschriften benannten Stiftung unterschieden wird. Es ist unklar und daher ernstlich zweifelhaft, ob der Begriff der ausländischen Vermögensmasse auch eine Stiftung ausländischen Rechts umfasst. Insbesondere fehlt es insoweit an einer gesetzlichen Regelung, die --vergleichbar mit der Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG-- dem Erwerb durch Zwischenberechtigte während des Bestehens der Vermögensmasse einem entsprechenden Erwerb während des Bestehens einer Stiftung gleichsteht.

Wären ausländische Stiftungen unter den Begriff der ausländischen Vermögensmasse i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG zu fassen, käme es zu einer Besteuerung satzungsgemäßer Zuwendungen an Zwischenberechtigte, während die satzungsgemäßen Zuwendungen einer inländischen Stiftung an ihre Berechtigten nach ganz überwiegender Auffassung nicht steuerbar sind, weil es insoweit an einer Freigebigkeit der Zuwendung fehlt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 8. März 1922 VI A 49/21, Steuer und Wirtschaft 1922 Nr. 640; Meincke, Erbschaftsteuer- und  Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 7 Rz 88; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, a.a.O., § 7 Rz 334; Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 7 ErbStG Rz 149). Ungeachtet der vom FG ausgeführten unionsrechtlichen Bedenken ist unklar und damit ernstlich zweifelhaft, ob eine solche weite Auslegung des Begriffs der ausländischen Vermögensmasse, der ausländische Stiftungen mit einem rechtlich verselbständigten Vermögen von Wortlaut, Systematik und Gesetzeszweck des § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG gedeckt wäre.

e) Zudem bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schenkungsteuerbescheids aufgrund der Doppelbelastung desselben Rechtsvorgangs mit Einkommen- und Schenkungsteuer. Leistungen an die nach der Satzung Begünstigten unterliegen nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Einkünfte aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer (vgl. BFH-Urteil vom 3. November 2010 I R 98/09, BFHE 232, 22, BStBl II 2011, 417), und zwar ab dem Veranlagungszeitraum 2011 (vgl. § 52 Abs. 37 EStG) auch dann, wenn es sich um Leistungen einer ausländischen Stiftung handelt (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG; Buge/Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Rz 349). § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst seinem Wortlaut nach Leistungen, die mit einer Gewinnausschüttung wirtschaftlich vergleichbar sind.

Wären die satzungsgemäßen Zuwendungen einer ausländischen Stiftung an die Berechtigten zugleich schenkungsteuerbar, läge eine doppelte Belastung desselben Rechtsvorgangs mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer vor. Ob es Fälle gibt, in denen ein- und derselbe Lebenssachverhalt tatbestandlich sowohl der Einkommen- als auch der Schenkungsteuer unterfällt und in welchem Verhältnis die beiden Steuerarten in solchen Fällen stehen (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 12. September 2011 VIII B 70/09, BFH/NV 2012, 229, Rz 19; Fischer, in Fischer/ Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 7 Rz 131), ist bislang noch nicht entschieden. Im Urteil vom 30. Januar 2013 II R 6/12 (BFHE 240, 178, BStBl II 2013, 930) konnte der Senat dies für die verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) offen lassen, da sowohl offene als auch vGA einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter oder an die Gesellschafter einer an ihr beteiligten Kapitalgesellschaft tatbestandlich keine freigebigen Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sind.

Anmerkungen

  • Der BFH bezieht sich ausdrücklich nur auf Stiftungen ausländischen Rechts, die nach "ihrer Struktur deutschen Stiftungen entsprechen". Daraus kann man wohl ableiten, dass viele ausländische Stiftungen eine "vermögensmasse ausländischen Rechts" sind. Dies dürfte für viele Liechtensteinische Stiftungen gelten (sofern überhaupt einen Übergang auf die Stiftung annimmt).
  • Erstaunlicherweise meint der BFH, dass Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Schenkungsteuerbescheids auch deswegen bestehen, weil derselbe Rechtsvorgangs mit Einkommen- und Schenkungsteuer belastet ist. Bei Trusts besteht dieses Problem allerdings ebenfalls  - dennoch wurden Ausschüttungen an Zwischenerwerber als Schenkungssteuerpflichtig angesehen.  
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